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Wissenschaft: 10 wissenschaftliche Zufälle, die unser Leben veränderten

Der Putzfimmel des Kollegen, ein vergessener Schokoriegel oder einfach nur der bewölkte Himmel von Paris: Immer wieder sind es Zufälle, die der Wissenschaft zu einem ungeahnten Durchbruch verhelfen. Die zehn bedeutendsten haben wir zusammengestellt.
Ein Alchemist mit Kutte hält eine Kerze auf einem Totenschädel und forscht im bunten Dunst
10 Teflon – Von der Pfanne zur Raumfahrt |

Heute bleibt dank Teflons in der Pfanne fast nichts mehr kleben. Bis es allerdings dazu kam, verging einige Zeit. Schon 1938 stieß der Chemiker Roy Plunkett zufällig auf diesen neuen Kunststoff. Auf der Suche nach einem besseren Kältemittel für Kühlschränke experimentierte er mit dem Gas Tetrafluorethylen. Eines Abends vergaß er, eine Gasflasche in den Kühlschrank zu stellen, und fand sie am nächsten Morgen drucklos vor. Verwundert fand er darinnen ein weißes Pulver: Die Moleküle des Gases hatten sich zu langen Ketten verbunden, dem Polytetrafluorethylen. Zwar hatte der neue Kunststoff ein paar interessante chemische Eigenschaften, so reagierte er mit keinem bekannten Stoff, schien aber ansonsten keine Anwendung zuzulassen.

Erst 1943 fand Teflon seine erste Anwendung als Korrosionsschutz bei der Urananreicherung. Und knapp zwei Jahrzehnte nach seiner Entdeckung kam eine finnische Firma im Jahr 1954 endlich auf die Idee, mit dem Kunststoff Pfannen zu beschichten. Kurze Zeit später hielt das Material dann auch Einzug in die Raumfahrt. Und zu guter Letzt entwickelte Bob Gore 1969 noch das Kunstgewebe Gore-Tex, welches heute oft Bestandteil von Outdoorbekleidung ist.

9 Süßstoffe – süß, süßer, am süßesten |

Sie sind süßer als unser Haushaltszucker, die Saccharose, kalorienarm und bieten auch den Karies verursachenden Bakterien keine Nahrung – Süßstoffe. Der deutsche Chemiker Constantin Fahlberg war der Erste, der sich von der Süßkraft des künstlichen Zuckers überzeugen konnte. Allerdings unerwartet: Nach einem missglückten Experiment im Jahr 1878 stellte er beim Abendessen fest, dass das Brot süßer schmeckte als gewohnt. Die Süße stammte von einem angebrannten aromatischen Kohlenwasserstoff, dem Benzoesäuresulfimid, der trotz Waschen noch an seinen Händen klebte. Er taufte den neuen Stoff Saccharin, was sich vom altgriechischen Wort für Zucker ableitet.

Ähnlich erging es dem Chemiker Michael Sveda im Jahr 1937. Auf der Suche nach einem fiebersenkenden Mittel klebte auch ihm eine süßlich schmeckende Substanz an den Fingern. Er identifizierte schließlich die Cyclohexylsulfaminsäure in einem seiner Versuchsgefäße als "Übeltäter" und nannte ihn Cyclamat.

Beide Süßstoffe finden auch heute noch Anwendung in diätischen Lebensmitteln und Süßwaren. Um die Süßkraft noch mehr zu steigern und auch den metallischen Beigeschmack von Saccharin zu reduzieren, werden beide besonders gern in kombinierter Form verwendet.

8 Post-it – Die kleine gelbe Gedankenstütze |

Eigentlich sollte es ein neuer Superkleber werden, an dem Spencer Silver 1968 arbeitete. Was der Chemiker stattdessen entwickelte, entpuppte sich als mäßig klebrige Masse, die sich zu allem Überfluss auch noch leicht wieder ablösen ließ. Silver war zwar irgendwie überzeugt von seiner zufälligen Erfindung, eine sinnvolle Anwendung wollte ihm aber partout nicht einfallen.

Es dauerte fünf Jahre, bis sein Kollege Arthur Frey auf die erste entscheidende Idee kam. Schon lange ärgerte dieser sich über lose Lesezeichen, die immer aus dem Gesangsbuch fielen. Er holte sich eine Probe des Klebers aus dem Labor und strich ihn dünn auf seine Lesezeichen. Und wie gewünscht, die Seiten blieben markiert, und trotzdem ließen sich die Zettelchen ohne Spuren wieder entfernen. So richtig überzeugen konnte er in der Firma jedoch niemanden, und so dauerte es weitere Jahre, bis die Idee endlich ihren Durchbruch bekam. Einem Bericht legte er einen seiner Haftzettel mit einer Notiz bei, und als diese mit der Antwort vom Vorgesetzten zurück kam, war sie endlich da: die Haftnotiz.

1978 wurden die ersten Post-it-Blöcke in den USA verteilt, 1981 gab es sie auch in Europa. Heute gibt es über 1000 Varianten, und mindestens eine davon findet sich in jedem Büro.

Viagra – Eine kleine, blaue Tablette mit Weltruhm |

Als die Firma Pfizer Anfang der 1990er Jahre den Wirkstoff Sildenafil erstmals an Patienten testete, schien die Wirkung bei Herzbeschwerden viel versprechend. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass das Mittel bei Angina pectoris kaum wirkte. Dafür berichteten einige der männlichen Probanden von gänzlich unerwarteten Nebenwirkungen und wollten die restlichen Tabletten nach Versuchsende gar nicht mehr zurückgeben.

Pfizer startet daraufhin eine neue Studie, diesmal an Probanden mit Erektionsstörungen. Schon während der Versuchsphase bestätigte sich die hohe Wirksamkeit als Potenzmittel. 1998 erhielt Viagra, ein Kunstwort, welches sich aus »vigor« (Kraft, Stärke) und »Niagara« (donnerndes Wasser) zusammensetzt, die Zulassung als Medikament. Die kleine, blaue Pille erwies sich für alle Beteiligten als überaus schöner Zufall: Bis Mitte 2013 profitierten 37 Millionen Männer von der Wirkung, und rund 24,8 Milliarden US-Dollar gingen auf das Konto von Pfizer.

6 Vulkanisation – Werkstoffe für alle Lebenslagen |

Schon die Maya formten Bälle aus Kautschuk, dem Ausgangsstoff für Gummi. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden daraus Gummischuhe und -schläuche hergestellt. Der gelernte Mechaniker Charles Goodyear war sogar so überzeugt von dem Material, dass er Mitte der 1930er Jahre nahezu jeden Allerweltsgegenstand daraus erbaute: Neben Postsäcken und Kleidung bestand auch sein Gehstock aus Kautschuk. Leider konnte das Material den hohen Anforderungen nicht gerecht werden: Bei Hitze wurde es weich und klebrig und bei Kälte brüchig.

Also kombinierte der Tüftler den Kautschuk mit verschiedenen Chemikalien, mit dem Ziel ihn flexibler und beständiger zu machen. Die Idee eines Konkurrenten brachte ihn schließlich dazu, Schwefel zu probieren. Doch es sollte ein weiteres Jahr mit erfolglosen Bemühungen vergehen, ehe ihm der Zufall unter die Arme griff: Während eines Versuches geriet ein Teil der Schwefel-Kautschuk Masse auf eine heiße Ofenplatte und zur Überraschung des Experimentators hatte der Gummi nun die gewünschten Eigenschaften: robust und stabil gegenüber Witterungseinflüsse, dabei trotzdem flexibel. Er benannte das Verfahren nach Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Per Vulkanisation produziert die Industrie heute Autoreifen, Latex, Neopren, Kondome, Luftballons, geschäumte Matratzen und viele andere Produkte des täglichen Bedarfs.

5 Polyethylen – Der Eintritt ins moderne Kunststoffzeitalter |

Er begegnet uns jeden Tag, im Bad, beim Einkauf und überhaupt in jeder Menge Verpackungsmaterialien: Polyethylen. Schon 1898 stellte Hans von Pechmann bei einem Unfall das erste Polyethylen her. Es verschwand jedoch im Lagerraum und es dauerte 35 Jahre, bis es wiederentdeckt wurde. Es waren Eric Fawcett und Reginald Gibson, denen es gelang, Ethylen unter hohem Druck (1400 bar) und hohen Temperaturen (170 Grad Celsius) zu langen Ketten zu polymerisieren. Diese industrielle Herstellung des Hochdruckpolyethylen war aufwendig und die Nachfrage so hoch, dass der Bedarf nicht gedeckt werden konnte.

Und so tüftelte auch der Chemiker Karl Ziegler an einer einfacheren und schnelleren Herstellung. Ihm gelang es bereits bei milderen Bedingungen (200 bar und 100 Grad Celsius) immer längere Ketten aus Ethylen zu polymerisieren, bis er eines Tages plötzlich nur noch ganz kurze Fragmente aus zwei Molekülen erhielt. Auf der Suche nach der Ursache für den jähen Rückschlag, entdeckte er bald die Reinlichkeit eines Mitarbeiters: Durch das gründliche Putzen des Reaktionsgefäßes wurden kleinste Mengen Nickel freigesetzte, die zum Abbruch von Zieglers Reaktion führten. Er erkannte bald, dass Metalle nicht nur Reaktionen stoppen, sondern auch beschleunigen können. In Aluminium- und Titanverbindungen fand er schließlich Katalysatoren, welche die Reaktion so stark vorantrieben, dass sogar auf den Druck und die hohen Temperaturen verzichtet werden konnte. Das Niederdruck-Polyethylen findet auch heute noch Anwendung und sein Erfinder wurde 1969 mit dem Nobelpreis geehrt.

Röntgenstrahlen – Der gläserne Mensch |

Als sich Wilhelm Conrad Röntgen 1895 an die Untersuchung von Kathodenstrahlen machte, waren die Eigenschaften dieser Strahlen eigentlich bereits gut erforscht. Nicht gut genug, hat sich Röntgen damals gedacht. Er wurde für diese Überlegung und die daraus resultierende Entdeckung 1901 als Erster mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Schon beim ersten Funktionstest seiner aufgebauten Apparatur fiel ihm im abgedunkelten Raum ein Leuchten auf. Dieses ging von einem speziell beschichteten Papier, einige Meter entfernt, aus. Er versuchte seinen Aufbau erst mit schwarzer Pappe abzuschirmen, später mit Holz, konnte aber das Leuchten beim Betrieb des Kathodenstrahlexperiments nicht verhindern. Schließlich kam er auf die Idee, die Fotografie zu Hilfe zu nehmen. Schnell erkannte er, dass Knochen und Metall weniger Strahlung durchließen, Blei sie sogar ganz abschirmte. Eine der ersten Röntgenaufnahmen zeigt die Hand seiner Frau.

Gewissenhaft, wie Röntgen war, untersuchte er die »X-Strahlen« innerhalb kürzester Zeit so gründlich, dass er drei Forschungsberichte schreiben konnte. Bereits fünf Jahre später standen in vielen Kliniken Röntgengeräte, und fast zehn Jahre lang wurde nichts Neues mehr über die später nach ihm benannten Röntgenstrahlen herausgefunden.

3 Radioaktivität – Fluch und Segen |

Röntgen hatte gerade ein Jahr zuvor die X-Strahlen entdeckt, als sich der französische Physiker Henri Bequerel 1896 daran machte, die Ursache der geheimnisvollen Strahlung aufzuklären. Als Spezialist für Magnetismus und Fluoreszenz ging er der Vermutung nach, dass Sonnenlicht ein fluoreszierendes Material zur Röntgenstrahlung anregt. Zum Beweis seiner Theorie wickelte er eine Fotoplatte in schwarzes Papier und Alufolie und platzierte Uran-Kristalle (Uranylkaliumsulfat) darauf. Diese Anordnung setzte er der Sonne aus, und der Film wurde, wie von ihm vorhergesagt, belichtet.

Als er den Versuch wiederholen wollte, zeigte sich in Paris jedoch tagelang keine Sonne, und so legte er die fertige Versuchsanordnung in eine dunkle Schublade. Zufällig entwickelte er die Fotoplatte ohne sie nochmals der Sonne auszusetzen und erkannte an der dunklen Färbung, dass Uran auch ohne Sonnenlicht Strahlung aussendet.

Zusammen mit Marie Curie entdeckte er noch weitere strahlende Elemente wie Thorium, Polonium und Radium. Da nun zahlreiche Wissenschaftler anfingen, chemische Elemente auf ihre Radioaktivität zu untersuchen, war die Zahl der bekannten radioaktiven Elemente 1913 auf fast 40 gewachsen. Im Jahr 1903 erhielt Henri Bequerel für diese Pionierleistung zusammen mit Marie Curie und ihrem Mann den Nobelpreis für Physik.

2 Mikrowelle – Mit Radartechnik zu warmem Essen |

Sie können auftauen und aufwärmen, manche sogar grillen, backen und garen. Mikrowellen sind nicht nur schnell, sondern auch energiesparend. Die Idee mit elektromagnetischen Wellen Speisen und Flüssigkeiten zu erwärmen, verdanken wir dem Ingenieur Percy Spencer. Dieser arbeitete in den 1940er Jahren an einer Radaranlage, als ihm in der Hosentasche ein Schokoriegel schmolz. Er war zwar nicht der Erste, dem so etwas passierte, anders als die anderen vor ihm erkannte er jedoch das Potential, das die Mikrowellen boten. Nach Versuchen mit Mais (der aufplatzte) und Eiern (die explodierten), entwickelte er 1947 den ersten praktischen Mikrowellenherd: 1,80 Meter hoch und 340 Kilogramm schwer. Ausgestattet mit einer Wasserkühlung erzeugte das Gerät ganze 3000 Watt Leistung, drei mal so viel wie heute üblich. In den 1970er Jahren sanken die Preise und die Schrankgrößen dann rapide, und so steht heute in über 72 Prozent aller deutschen Haushalte eine Mikrowelle.

Penizillin – Wie ein Pilz Leben rettet |

Die Entdeckung des Penizillins gehört mit Sicherheit zu den bedeutendsten medizinischen Errungenschaften. Ihren Anfang nahm sie im Sommer 1928, als der Bakteriologe Alexander Fleming während seiner Arbeiten am St. Mary's Hospital in London bemerkte, dass eine seiner Bakterienkulturen von einem Schimmelpilz bewachsen war. Statt sie jedoch, wie seine Kollegen zuvor, einfach wegzuwerfen, sah er sie sich genauer an. Dabei entdeckte er, dass sich in der direkten Umgebung des Pilzes keine Bakterien mehr vermehrten.

Er untersuchte die Wirkung des Schimmelpilzes (Penicillium notatum) auch auf andere Bakterienarten und erkannte, dass Bakterien abgetötet wurden, für tierische und menschliche Zellen aber keine schädigende Wirkung auftrat. Die Entdeckung fand jedoch wenig Resonanz unter den Wissenschaftlern, und so dauerte es zehn Jahre, bis sich Howard Florey und Ernst Chain des Pilzes annahmen. Sie isolierten schließlich 1940 das erste Penizillin und testeten es am Menschen.

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verstärkte das Interesse am neuen Antibiotikum schlagartig. In den USA gelang es 1943 durch neue Stämme (Penicillium chrysogenum), den Wirkstoff in ausreichenden Mengen herzustellen, um erst verwundete Soldaten und später auch die Zivilbevölkerung zu behandeln. 1945 wurden Fleming, Florey und Chain für ihre bahnbrechenden Arbeiten mit dem Nobelpreis geehrt. Und bis heute werden mit dem Einsatz von Penizillinen unzählige Menschenleben gerettet.

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