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Toxische Unternehmen?

Eine wütende Abrechnung mit der Start-up-Szene.

Start-ups gelten als die Verkörperung wirtschaftlichen Fortschritts. Die jungen Wirtschaftsunternehmen haben den Ruf, hip zu sein; sie verheißen tolle Arbeitsbedingungen, traumhafte Karrieren, Höhenflüge an der Börse und ein klein wenig vielleicht auch die Rettung der Welt. Einen Blick aus der Innenperspektive solcher Firmen bietet Sam Gregson in diesem Buch.

Gregson heißt im wirklichen Leben anders, genau wie die beiden Start-ups, in denen er gearbeitet hat und mit denen er in seinem Werk abrechnet. Für ihn jedenfalls haben sich die Versprechen der Unternehmen nicht erfüllt. Nach einem Geschichtsstudium und ersten Berufserfahrungen in London, wo er sich kein Fortkommen mehr versprach, siedelte der 26-jährige Brite 2014 mit großen Hoffnungen nach Berlin über. Die Hauptstadt hat den Ruf, offen, tolerant, multikulturell und vor allem DER Ort für steile Start-up-Karrieren zu sein.

Chaos-Betrieb will beim Aufräumen helfen

Unmittelbar nach dem Besuch einer Jobmesse heuerte Gregson bei einer solchen Firma an. Die bot ihren Kunden eine Software, die helfen sollte, Dateien und Dokumente übersichtlicher zu organisieren. Dabei war das Unternehmen nicht einmal selbst zu einem strukturierten Workflow in der Lage. Nach außen hip, war es nach innen hin das reinste Chaos. Die ständig wachsende Belegschaft wurde aufgerieben zwischen zwei uneinigen, eitlen Chefs; Kunden und Investoren wurden mit großen Versprechen belogen. So auch Gregson, der sich mit voller Kraft in den Job warf, aber bald erkennen musste, dass die Bosse nur heiße Luft verbreiteten und ihre Mitarbeiter in die Selbstausbeutung trieben. Eine Firma ohne sinnvolle Hierarchie, ohne Betriebsrat, ohne Abteilungsorganisation, ohne kohärente Ziele und mit Kommunikationsdefiziten – und das Ganze der Willkür zweier Machos ausgeliefert.

Nach zwei Jahren kündigte der Autor entnervt. Er fand einen neuen Job in einem anderen Start-up, das auf ihn seriöser wirkte. Es vertrieb eine App, die Kunden helfen sollte, ihre finanziellen Aktivitäten zu organisieren und dabei Geld zu sparen. Die Software erwies sich aber als unsicher, korrumpierbar und hielt nicht, was sie versprach. Auch hier erlebte Gregson selbstherrliche und zerstrittene Chefs, Machismo, Sexismus, Homophobie, Ausbeutung und Willkür.

Gregsons Fazit nach drei Jahren: »Letztendlich sind Start-ups nichts weiter als eine Gelegenheit für einzelne Männer, Macht in ihrer ursprünglichsten Form auszuleben, Macht wie in einer gestrigen Welt – und dadurch etwaige Defizite auszugleichen.«

Kann man ihm glauben? Reichen Erfahrungen in gerade mal zwei solchen Unternehmen aus, um auf rund 400 Seiten mit 32 Anmerkungen (vorwiegend Verweise auf Zeitungsartikel und Blogbeiträge) eine komplette Szene zu verdammen? Man fragt sich, was der vom Verlag vollmundig angekündigte »Undercoverbericht« eigentlich ist: ein Ich-Roman? Ein Sachbuch ohne großen Tiefgang? Oder die Zornesworte eines frustrierten jungen Menschen, dessen Hoffnungen sich nicht erfüllt haben?

Das Werk ist zweifellos flüssig geschrieben und leicht lesbar. Es ist auch mehr als heiße Luft; dennoch erweist es sich als doppelt so lang wie nötig. Die Botschaft des Autors lässt sich relativ knapp zusammenfassen: Start-ups legten sich die verlockende Aura zu, junge und hippe Unternehmen zu sein, in denen man während der Arbeitszeit kickern könne und in denen es wöchentlich heiße Partys mit Drogen und Sex gebe – letztlich seien sie aber nur »toxisch, rassistisch, sexistisch und homophob«. Leider bringt Gregson dies seinem Publikum in endlosen Wiederholungen nahe, die viel Lesezeit kosten und auf Dauer ermüden. Die wenigen Lösungsvorschläge am Schluss sind an Banalität kaum zu überbieten.

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