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Palast von Amenhotep III.: Neu entdeckte »Goldene Stadt« war vielleicht keine Stadt

Archäologen haben jüngst eine weitläufige Siedlung im ägyptischen Theben frei gelegt. Doch ein Experte zweifelt: War es tatsächlich eine Stadt?
Die neu entdeckte Stadt in Theben-West.

Zahi Hawass, ehemaliger Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung und kurzzeitiger Antikenminister, präsentierte jüngst einen Aufsehen erregenden Fund: Am Westufer von Luxor, dem antiken Theben und Vorhof des Tals der Könige, stieß der Archäologe auf die gut erhaltenen Reste einer Stadt aus der Zeit von Amenhotep III. (er regierte während der 18. Dynastie von 1390 bis 1353 v. Chr.). Besser bekannt als dieser Pharao ist sein Sohn Echnaton, der die Staatsreligion der Ägypter radikal reformierte und statt Amun die Sonnenscheibe Aton zum höchsten Gott ausrief. Laut einer Pressemitteilung der Altertümerverwaltung habe Hawass nun Teile einer »Lost Golden City« frei gelegt. Es handle sich um die größte Stadt der altägyptischen Geschichte, die bis dato ausgegraben wurde, so der Pressebericht weiter. Doch dass die Ausgräber tatsächlich eine vergessene Stadt mit Wohnhäusern entdeckt haben, ist nicht für alle Experten überzeugend. So könnte es sich bei den rund 3400 Jahren alten Räumlichkeiten auch um Wirtschaftsbereiche der ausgedehnten Palastanlage von Amenhotep III. handeln.

Am westlichen Nilufer von Theben, am Übergang von Wüste zu Fruchtland, ließen die Könige der 18. bis 20. Dynastie ihre Totentempel errichten. In den Bauten brachten Priester Opfergaben für die verstorbenen Pharaonen dar, deren mumifizierte Leiber im dahinter gelegenen Tal der Könige ruhten. Schon seit einiger Zeit lässt Zahi Hawass in Theben-West graben, dort ist er etwa auf der Suche nach dem Totentempel von Tutanchamun. Dabei stieß sein Team nun auf Straßen und drei Meter hohe Mauern.

Der Fundort liegt zwischen den Totentempeln von Amenhotep III. und Ramses III. (er regierte von 1188 bis 1156 v. Chr. in der 20. Dynastie) in Medinet Habu. Von Amenhoteps Tempel sind heutzutage nur mehr die Memnonkolosse, die beiden gigantischen Sitzstatuen des Königs erhalten, die einst am Eingang der zirka 385 000 Quadratmeter großen Anlage aufgerichtet wurden.

Die Stätte ließ einst Pharao Amenhotep III. errichten

Neben bemalten Tongefäßen, Ringen und Skarabäen entdeckte Hawass' Team Geräte zur Textilherstellung, Handwerksreste aus Metall und Glas sowie ein Tongefäß mit den Überbleibseln von rund zehn Kilogramm Fleisch. Laut Hawass lassen sich verschiedene funktionale Bereiche unterscheiden: eine Bäckerei und eine große Küche mit einem Herd und Lagergefäßen; außerdem ein Werkstattbereich sowie ein Wohn- und Verwaltungsviertel, das von einer geschwungenen Mauer eingefasst ist. Zugang bot dort nur eine einzige Tür. Offenbar wollte man kontrollieren, wer den Bereich betrat oder verließ.

Siegelabdruck | Auf dem gesiegelten Verschluss eines Weingefäßes (links) heißt es laut Christian E. Loeben vom Museum August Kestner in Hannover: »Wein von (dem Weingut) Tjechen-Aton (Glanz des Aton).« Der Name bezeichnet den Pharao Amenhotep III. und seinen Palast in Malqata.

Dass Pharao Amenhotep III. die Stätte errichten ließ, belegen zahlreiche Funde, etwa Tonsiegel und gestempelte Lehmziegel. Sie tragen Kartuschen des Pharaos, also die von einem lang gezogenen Ring eingefassten Eigen- oder Thronnamen des Königs.

War es eine Wohnstadt oder Wirtschaftseinheit des Palasts?

Hawass hätte einen herausragenden Fund gemacht, meint die US-Ägyptologin Betsy Bryan von der John Hopkins University in Baltimore. »Die Entdeckung der vergessenen Stadt ist die zweitwichtigste archäologische Entdeckung seit dem Grab von Tutanchamun«, zitiert sie die ägyptische Altertümerverwaltung. Nicht alle Experten sind aber davon überzeugt, dass die aufgedeckten Räumlichkeiten Teil einer Stadt mit Wohnhäusern waren. Christian E. Loeben vom Museum August Kestner in Hannover und der Universität Göttingen ist spezialisiert auf die Zeit der 18. Dynastie, insbesondere die Phase von Amenhotep III., Echnaton, Tutanchamun und dessen Nachfolger Eje und Haremhab. »Ich glaube nicht, dass es eine Stadt war, sondern dass es sich um Annexbauten des Palasts von Amenhotep III. handelte«, schlägt der Ägyptologe vor.

Der Palast, der wie sein Bauherr einst auch den altägyptischen Namen Tjechen-Aton trug – »Glanz des Aton« –, erstreckte sich von Malqata, wo Reste der gigantischen Anlage ans Licht kamen, über Medinet Habu bis zum Totentempel mit den Memnonkolossen. Die jetzige Fundstätte läge Loeben zufolge direkt neben dem einstigen Palastareal.

»Um einen so großen Palast zu betreiben, braucht man Werkstätten, Küchen, Bäckereien – also Wirtschaftseinheiten«, sagt Loeben. Genau solch eine Einheit hätte Hawass nun ausgegraben. »Deshalb überrascht auch der Fund eines Tongefäßes mit zehn Kilogramm Fleisch nicht.« In den Räumen seien Speisen, Gerätschaften und Schmuck für den Palastbetrieb produziert worden. Auch ein überwachter Zugang würde hier Sinn ergeben: So ließ sich die Lieferung und Verteilung von Waren kontrollieren.

Güter für den »Glanz des Aton«

Den Ägyptologen würde eine Wohnsiedlung an dieser Stelle in Theben-West überraschen – dort lagen vor allem Totentempel und Gräber. Zudem: Die alte Wohnstadt Theben ist bereits dokumentiert, am Ostufer zwischen den Göttertempeln von Karnak und Luxor.

Rinderskelett | In einem Raum stießen die Ausgräber auf die offenbar nicht balsamierten Überreste eines Rinds.

Loeben sieht seine These mit einem Fund besonders bekräftigt: dem Abdruck eines Siegels in Nilschlamm, das den Namen des Palasts und Königs nennt, Tjechen-Aton. »Das Siegel legt nahe, dass wir uns im Palast von Amenhotep III. befinden.« Auch zwei Rinderskelette, welche die Ausgräber als »ungewöhnliche Bestattungen« in einem Raum bezeichneten, würden laut Loeben in einem Wirtschafts- und Küchenbereich wenig verwundern. Stiermumien, die in weitläufigen Katakomben beigesetzt wurden, sind aus Nordägypten bekannt. Die Knochen aus der »Goldenen Stadt« sind aber offenbar nicht einbalsamiert worden. Was für eine Bestattung ungewöhnlich wäre, könnte für eine Schlachterei ganz typisch gewesen sein.

So ist denn auch die Bezeichnung »Goldene Stadt« offenbar in keiner der neu entdeckten Schriftzeugnisse erwähnt. Sie soll vermutlich dem Neufund einen besonderen Reiz verleihen, um Ägypten als attraktive Destination zu bewerben. Seit einigen Jahren vermelden ägyptische Archäologen regelmäßig Neuentdeckungen, es werden landesweit neue Museen erbaut – das größte soll demnächst bei Gise eröffnet werden, das gigantische Grand Egyptian Museum. Und erst im April 2021 ließ man in Kairo die Königsmumien der 17. bis 20. Dynastie in ein neues Museum überführen – in einer pompösen Prozession bei Nacht.

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