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Danuvius guggenmosi: Entstand der aufrechte Gang in Europa?

Paläoanthropologen haben in Bayern eine neue Primatenart entdeckt, die offenbar schon vor zwölf Millionen Jahren zum aufrechten Gang in der Lage war. Die Wiege der Zweibeiner läge somit in Europa.
Fossilien von Danuvius guggenmosi, einem fast zwölf Millionen Jahre alten süddeutschen Primaten.

Lange vor der Entstehung des anatomisch modernen Menschen, Homo sapiens, bewegten sich seine Vorfahren auf zwei Beinen fort. Wann und wo genau sich die ersten Zweibeiner herausgebildet hatten und aus welcher Art der Fortbewegung der aufrechte Gang entstand, ist aber bislang nicht sicher. Zwei Thesen bestimmen die Diskussion, die vor allem auf fragmentarischen Fossilien aus dem späten Miozän (13 bis 5,3 Millionen Jahre vor heute) basieren. In dieser Zeit vermuten Forscher auch die letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Menschenaffen. Die eine These lautet: Der Ursprung läge bei Vierfüßlern, die sich hangelnd von Baum zu Baum schwangen. Die andere geht davon aus, dass die Zweifüßler aus dem vierbeinigen erdverbundenen Knöchelgang hervorgingen, der heute für Gorillas und Schimpansen typisch ist. Nun haben Paläoanthropologen in Süddeutschland Fossilien eines 11,62 Millionen Jahre alten Primaten entdeckt, der eine andere Entwicklungsgeschichte nahelegt.

Wie die Ausgräber um Madelaine Böhme von der Universität Tübingen im Fachjournal »Nature« erklären, gehören die Knochen zu einer bislang unbekannten Art, die sie Danuvius guggenmosi getauft haben. Die gut erhaltenen Fossilien würden genügend Informationen liefern, so die Forscher, um die Fortbewegung dieser Hominiden zu rekonstruieren. Danuvius habe sich sowohl zweibeinig auf Ästen fortbewegt als auch mit den Armen von Ast zu Ast gehangelt. Damit wäre der aufrechte Gang nicht nur anders entstanden als angenommen, sondern auch deutlich früher, als bisherige Funde nahelegen. Zudem hätte sich diese Entwicklungsstufe der frühen Homo-Evolution nicht in Afrika, sondern auf Bäumen des europäischen Kontinents abgespielt.

Rekonstruktion von Danuvius guggenmosi | So könnte die neu entdeckte Primatenart einst ausgesehen haben: Der Hominide bewegte sich vor zwölf Millionen Jahren sowohl laufend auf zwei Beinen als auch hangelnd mit den Armen fort.

Die fossilen Knochen haben Madelaine Böhme und ihre Kollegen zwischen 2015 und 2018 in der Tongrube »Hammerschmiede« im Ostallgäu entdeckt. Sie ordnen die Fossilien vier verschiedenen Individuen zu, einem Männchen, zwei Weibchen und einem Jungtier. Die Hominiden waren nicht größer als einen Meter, das Männchen wog schätzungsweise 31 Kilogramm, die Weibchen jeweils um die 18 Kilogramm. Der anatomische Aufbau dieser Hominiden, so Böhme laut einer Presseerklärung der Universität Tübingen, würde mehr einem Menschen als einem Menschenaffen ähneln.

Er kletterte wie ein Affe und lief wie ein Mensch

Danuvius guggenmosi besaß eine bislang unbekannte Anatomie unter den Vorfahren der Menschen und der großen Menschenaffen: einen flachen und breiten Brustkorb sowie eine s-förmige Wirbelsäule, dank derer er seinen Rumpf aufrichten konnte. Mit der gelängten Lendenwirbelsäule konnte er zudem den Körperschwerpunkt über den gestreckten Knien verlagern. Die Füße waren flach, hatten allerdings einen abgespreizten großen Zeh zum Greifen. Die Ellbogen und Handgelenke waren sehr beweglich.

Daraus schließen die Forscher, dass die hinteren Extremitäten von Danuvius guggenmosi auf einen zweibeinigen Gang spezialisiert waren, die vorderen Gliedmaßen vor allem fürs Klettern geeignet waren. Diese Fortbewegungsweise beschreiben die Paläoanthropologen als »extended limb clambering«.

Die Überreste des Männchens | Am vollständigsten ist das Skelett eines Männchens erhalten. 21 Knochen fanden sich von diesem Exemplar von Danuvius guggenmosi.

Böhme hat die neue Primatenart nach dem verstorbenen Citizen Scientist Sigulf Guggenmos benannt. Er hatte 1972 die ersten Fossilien in der Tongrube »Hammerschmiede« zu Tage gefördert. Böhme und ihre Kollegen haben dort bisher rund 15 000 Fossilien frei gelegt, die sie 115 Wirbeltierarten zuordnen konnten – darunter Fische, Riesensalamander, Schildkröten, Elefanten und Pandas.

Frühe Fußabdrücke von Zweibeinern

Die bislang ältesten bekannten Nachweise für den aufrechten Gang sind ein zehn Millionen Jahre alter Beckenknochen aus Ungarn und fossilisierte Fußabdrücke auf der Insel Kreta, in Tansania und Kenia. 2017 untersuchten Forscher der Universität Uppsala Fußspuren in Trochilos an der kretischen Westküste. Das Alter datieren sie auf 5,7 Millionen Jahre. Aus der Form der Abdrücke schließen die Wissenschaftler, dass dort ein Lebewesen auf zwei Beinen gelaufen war. Am berühmten Fundort von Laetoli in Tansania waren vor 3,65 Millionen Jahren Vormenschen über noch weiche Vulkanasche marschiert. Die Fußabdrücke härteten aus und überdauerten so die Jahrmillionen. Von Homo erectus stammen 1,5 Millionen Jahre alte Fußabdrücke in Ileret im Norden Kenias.

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