Direkt zum Inhalt

News: Östrogen als Wundheiler

Welchen Einfluß der Hormonspiegel auf die Wundheilung hat, untersuchten Wissenschaftler der University of Florida. Sowohl die Geschwindigkeit der Heilung als auch das Ausmaß der Narbenbildung scheinen direkt vom Östrogen-Niveau abzuhängen.
Spröde Knochen sind nicht die einzige negative Folge einer nach den Wechseljahren abnehmenden Versorgung mit Östrogen. Ein Artikel in der November-Ausgabe von Nature Medicine weist nach, daß bei Frauen nach dem Klimakterium Wunden langsamer heilen als bei jüngeren Frauen. Frauen nach der Menopause, die Medikamente zur Regulierung des Hormonhaushalts einnehmen, zeigen dagegen ebenfalls eine schnellere Wundheilung. Allerdings bleiben bei den älteren Frauen mit der langsamer fortschreitenden Heilung weniger Narben zurück. Die neuen Erkenntnisse bringen zum ersten Mal das Hormon Östrogen mit der Heilung von Wunden in Zusammenhang. Dies könnte Forschern einen neuen Weg zur Behandlung chronischer Wunden aufweisen.

Um herauszufinden, ob Hormone die Heilung der Haut beeinflussen, haben Roy Tarnuzzer, Molekularbiologe an der University of Florida, Gainesville, und seine Kollegen 30 Frauen eine kleine kreisförmige Wunde mit einem Durchmesser von 4 mm an den Innenarmen zugefügt. Zehn Frauen befanden sich im Alter zwischen 20 und 29 Jahren, zehn Frauen hatten das Klimakterium bereits hinter sich und zehn weitere befanden sich jenseits der Menopause, machten aber eine Hormon-Ersatz-Therapie. Eine Woche nach der Verletzung zeigten jüngeren Frauen und die Frauen, die mit Hormonen behandelt wurden, eine deutlich fortgeschrittenere Heilung. Außerdem konnten bei ihnen mehr Kollagenfasern gefunden werden. Nach 85 Tagen hatten die schnell heilenden Wunden ausnahmslose große Narben zurückgelassen, während die langsamer heilenden Wunden nahezu keine Spuren hinterließen – die Haut war glatt und makellos.

Tarnuzzer glaubt, daß der Unterschied in der Heilungsgeschwindigkeit auf TGF-beta(transforming growth factor-beta) zurückzuführen ist, ein Schlüsselprotein bei der Wundheilung. Als sein Team Hautzellen behandelte, die Versuchspersonen mit unterschiedlichen Östrogenniveau entnommen wurden, fanden sie heraus, daß alle Zellen die gleiche Menge TGF-beta produzierten. Hohe Östrogenkonzentrationen führten jedoch zu mehr TGF-beta der aktiven Form, welches Immunzellen an der Stelle der Verletzung wiederherstellt und andere Zellen anweist, Kollagen abzusondern. Nach Tarnuzzers Ansicht ergibt dies einen Sinn: Mediziner haben herausgefunden, daß Wunden, die mit der aktiven Form von TGF-beta behandelt wurden, schneller heilen. Es ist jedoch unklar, warum Wunden bei Patienten mit Östrogenmangel besser, wenn auch langsamer heilen.

Ärzten ist schon seit langem bekannt, daß Geschwüre bei älteren Patienten langsamer heilen. Bisher wurde jedoch noch nie nachgewiesen, daß Hautwunden ebenfalls langsamer heilen, sagt John Rømer, Histologe bei Novo Nordisk, einer Pharmafirma in Bagsvoerd, Dänemark. Weil der Heilungsprozeß Veränderungen in der Zellform und Anordnung auslöst – wie auch bei der Ausbreitung von Krebs – könnten die neuen Erkenntnisse Forschern helfen, zum Beispiel mit Alterskrebs besser umzugehen. Die Studie deutet auch an, daß Östrogen Ärzten eines Tages helfen könnte, Wunden zu behandeln: Es ist preiswerter, das Hormon synthetisch herzustellen, als das TGF-beta durch Zellen produzieren zu lassen, sagt Tarnuzzer.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.