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Metzler Philosophen-Lexikon: Heisenberg, Werner

Geb. 5. 12. 1901 in Würzburg;

gest. 1. 2. 1976 in München

Eines der wichtigsten geistigen Ereignisse im 20. Jahrhundert ist die Entstehung der Atomtheorie mit Namen Quantenmechanik. Von ihr gibt es zwei gleichwertige mathematische Fassungen. Die erste Formulierung gelang dem jungen H. 1925. Sein Durchbruch wurde möglich, weil er in seiner Arbeit Über quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen nur Zusammenhänge zwischen solchen Eigenschaften der Atome berücksichtigte, die beobachtbar waren. H. verzichtete deshalb zum Beispiel darauf, von den Bahnen der Elektronen in einem Atom zu reden; statt dessen konzentrierte er sich auf die Frequenzen des Lichtes (Spektrallinien), das Atome abstrahlen. Daß es philosophisch falsch ist, eine Theorie nur auf beobachtbare Größen aufbauen zu wollen, hat H. dann von Einstein gelernt. Er überzeugte H. davon, daß umgekehrt erst die Theorie darüber entscheidet, was man beobachten kann.

Als H. die neue Mechanik begründete, arbeitete er – nach seinem Studium der Physik in München bei Max Born – in Göttingen. Hier lernte er Niels Bohr kennen, der ihn nach Kopenhagen einlud. In langen Diskussionen gelangten Bohr und H. zu einer philosophischen Interpretation der Atomtheorie, die heute als »Kopenhagener Deutung« bekannt ist. Worauf H. 1927 bei seinen Überlegungen Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik stieß, gehört heute unter der Bezeichnung Unbestimmtheitsrelation zu den größten Entdekkungen der Naturwissenschaft. H. hat in vielen Aufsätzen darauf hingewiesen, daß die Unbestimmtheitsrelationen nicht so aufgefaßt werden sollen, daß es nicht möglich sei, zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit eines atomaren Objektes zu kennen oder zu messen. Vielmehr bedeuten die Unbestimmtheitsrelationen, daß eine Anwendung der Wörter »Ort, Geschwindigkeit« unterhalb der angeführten Schranken, die durch das Plancksche Wirkungsquantum festgelegt werden, jeden Sinn verliert. Im Anschluß an den Rat von Einstein bedeutet die H.sche Entdeckung, daß die Theorie uns nicht nur sagt, welche Größen wir beobachten können; die Theorie sorgt auch dafür, daß höchstens solche Größen beobachtet werden können, die in der Theorie auch vorkommen.

Von 1927 bis 1942 war H. Professor für Physik in Leipzig. 1932 wurde er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, übernahm nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst die Einrichtung des Max-Planck-Instituts für Physik in Göttingen, das 1955 nach München verlegt wurde. Hier arbeitete H. bis zu seinem Tode. Seine zahlreichen fundamentalen Beiträge zur Physik machen ihn zu einem der bedeutendsten und vielseitigsten Naturforscher des 20. Jahrhunderts. Daneben hat er immer wieder in zahlreichen Vorträgen Die Wandlungen in den Grundlagen der Naturwissenschaft (1935) beschrieben und die Beziehungen von Physik und Philosophie (1955) erkundet. Dabei ging es H. vor allem darum, den Zusammenhang mit dem antiken (Platon) und dem klassischen Denken (Goethe) aufzuzeigen. Sein wissenschaftliches Hauptziel lag darin, eine grundlegende Theorie der Elementarteilchen zu schaffen, die nichtlineare Spinortheorie, die als moderne Verwirklichung von Platons Vorstellungen der Struktur der Materie auf der Grundlage einfacher geometrischer Formen gelten konnte. Er suchte nach einer hochsymmetrischen Feldgleichung, der »Weltformel«, die den idealen Formen Platons entsprechen sollte. Seine Lebenserinnerungen, Der Teil und das Ganze von 1969, hat er als platonische Dialoge niedergeschrieben, in denen er und sein Sokrates, Niels Bohr, mit Anhängern der verschiedenen traditionellen Denksysteme diskutieren.

Fischer, Ernst Peter: Das selbstvergessene Genie. München 2001. – Cassidy, David: Werner Heisenberg. Leben und Werk. Heidelberg 1995. – Dürr, Hans P. (Hg.): Quanten und Felder. Physikalische und philosophische Betrachtungen zum 70. Geburtstag von Werner Heisenberg. Braunschweig 1971.

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