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Religionsgeschichte: Grab in Jerusalem birgt älteste christliche Zeugnisse

Grab in Jerusalem birgt älteste christliche Zeugnisse

In einem jüdischen Grab stießen Archäologen vermutlich auf die ältesten archäologischen Belege für das Christentum. Auf steinernen Grabkisten aus der Zeit vor 70 n. Chr. fand sich eine griechische Inschrift sowie eine Zeichnung, die nach Ansicht der Forscher die biblische Erzählung um Jona und den Fisch wiedergibt.

Zwar war die in den Fels gehauene Grabstätte schon vor rund 30 Jahren unterhalb eines modernen Gebäudes entdeckt worden, doch erteilte die Israel Antiquities Authority erst 2009 die Erlaubnis, sie mit einer Kamerasonde zu erforschen. Wie die Aufnahmen nun zeigten, gehen von der Grabkammer neun Nischen ab, von denen einige Ossuarien beherbergen. Auf einer dieser Gebeinkisten entdeckte ein Team um den Religionswissenschaftler James D. Tabor von der University of North Carolina at Charlotte die vierzeilige Inschrift, die sich allerdings nicht mehr eindeutig übersetzen lässt. Sicher sei jedoch, dass sie von der Auferstehung Christi handle.

Das Ritzbild ... | ... auf der Außenseite einer jüdischen Gebeinkiste zeigt womöglich einen großen Fisch. Er scheint einen Mann bereits bis auf den Kopf verschluckt zu haben. Nach Ansicht der Forscher handelt es sich um eine Darstellung der Bibelerzählung vom Propheten Jona, die für die Christen der Antike als Symbol der Auferstehung Jesu Christi galt.

Auf einem weiteren Ossuar glauben die Forscher, die geritzte Darstellung von zahlreichen kleinen und einem großen Fisch zu erkennen. Aus dessen Maul rage ein Männchen, das der Fisch bereits bis auf den Kopf verschlungen hat. Tabor zufolge zeigt das Bild die biblische Geschichte von Jona, der drei Tage und Nächte im Bauch eines großen Fisches ausharrte, bevor dieser ihn wieder ausspie. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Motiv häufig an Grabwänden abgebildet, das die frühen Christen als Symbol der Auferstehung Jesu Christi verwendeten. Die Geschichte von Jona und dem Fisch in einem rund 2000 Jahre alten Grab vorzufinden, stellt für James D. Tabor einen erstaunlichen Fund dar: "Ich hielt es für unmöglich, in einem so alten jüdischen Grab ein Ritzbild zu finden, das konkret auf die Auferstehung hinweist."

Das Ossuar ... | ... mit der Ritzzeichnung – aufgenommen von der in das Grab eingeführten Kamera.

Überdies galt der Fisch im Urchristentum als Erkennungszeichen, fährt der Religionswissenschaftler fort. Im Judentum sei außerdem die Abbildung von Menschen oder Tieren untersagt gewesen. Tabor nimmt an, dass einer der ersten Anhänger Jesu das Bild schon vor der Niederschrift der Evangelien gefertigt haben könnte.

Die bislang ältesten archäologischen Belege stammen hauptsächlich aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. Eines der bekanntesten Beispiele ist die rund 1800 Jahre alte Grabstele der Licinia Amias aus einer Nekropole in Rom. Auf ihrem Grabstein ist ein Kranz dargestellt und daneben das lateinische Kürzel "D(IS) M(ANIBUS)" für die römisch-heidnischen "Totengeister". Darunter befinden sich christliche Symbole: zwei Fische und ein Anker sowie auf Griechisch der christliche Ausdruck "Fisch der Lebenden".

Aktuell zum Thema!
(02.03.2012)

James D. Tabors Deutung der Darstellung als Fisch hat unter Religionswissenschaftlern und Archäologen eine hitzige Debatte ausgelöst. Der Judaist Eric Meyers von der Duke University in Durham beispielsweise möchte die Zeichnung als Bild eines jüdischen Grabmonuments ("nephesch") identifizieren. Gegen diese Annahme spräche laut Tabor, dass der Fisch auf dem Ossuar mit seinem Schwanz nach oben ausgerichtet ist – wäre es die Basis eines Grabbaus, stünde sie auf dem Kopf.

Im Blog der American School of Oriental Research der Boston University wird ohne Unterlass über Tabors Deutung weiterdiskutiert. Alle Beiträge finden Sie dort (auf Englisch).

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