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Mittelalter: Vor 1050 Jahren: Otto der Große wird erster deutscher Kaiser

epoc, das Magazin für Archäologie, Geschichte und Kultur aus dem Hause Spektrum der Wissenschaft, beleuchtet eine der faszinierendsten Gestalten des Mittelalters – aktuell zur großen Landesausstellung Sachsen-Anhalts "Otto der Große und das Römische Reich" in Magdeburg
Allen Widrigkeiten zum Trotz

In den Augen moderner Historiker gilt er als Begründer des römisch-deutschen Kaisertums: Am 2. Februar 962 wurde Otto I., der spätestens im 12. Jahrhundert als der "Große" in die Geschichte einging, zum Kaiser gekrönt. Dieses Jahr jährt sich die Thronbesteigung des Sachsen zum 1050. Mal – und überdies zum 1100. Mal auch sein Geburtstag. Anlass genug, Mediävisten und Archäologen über ihre neuesten Forschungen zu Leben und Wirken des ersten „deutschen“ Kaisers berichten zu lassen.

Zum Hintergrund:
Otto kam im Jahr 912 als Sohn eines Sachsenherzogs zur Welt, 24 Jahre später wurde er im geschichtsträchtigen Aachen zum König des ostfränkischen Reichs gekrönt. Doch die Anfänge als König waren alles andere als einfach. Seine Entscheidung, wichtige Ämter im Reich nicht mit engen Gefolgsleuten seines Vorgängers und Vaters Heinrich I. zu besetzen, trieb die einst Vertrauten, ja sogar die eigene Familie in den Aufstand – und Otto "an den Rand einer Niederlage", so der Bonner Mittelalterhistoriker Matthias Becher in epoc. Am Ende behielt der Sachse aber die Oberhand. Nachdem die Machtkämpfe "die meisten seiner Gegner das Leben kosteten", konnte Otto seine Herrschaft festigen.

Vielmehr noch: Ihm gelang, sich durch prestigereiche Eheschließungen zum führenden Machthaber in Europa aufzuschwingen. 929 ehelichte er Edgitha aus dem angesehenen angelsächsischen Königshaus, nach deren Tod 951 dann die Witwe des Königs von Italien – Ottos Einflussgebiet dehnte sich damit bis südlich der Alpen aus. Etwaige Konkurrenten auf den Königsthron räumte der Sachse auf dem Schlachtfeld aus dem Weg oder machte sie zu seinen Verbündeten. Doch behauptete er sich nicht nur mit dem Schwert – durch die Gründung mehrerer Bistümer im Osten seines Reichs ging er die Christianisierung slawischer Stämme jenseits von Elbe und Oder an. Mit dem Ziel diese Völker zu unterwerfen. Höhepunkt dieser Entwicklung war 967 die Gründung des Erzbistums Magdeburg. Otto ließ dort eine neue Kirche errichten und scheute keine Mühen, für eine prächtige Ausstattung zu sorgen. Bei Ausgrabungen fanden sich Marmorfragmente von "antiken Bauteilen, die vermutlich aus Rom oder Ravenna stammten", erklärt der Magdeburger Archäologe Rainer Kuhn in epoc. "Gemessen an der Zahl der Bruchstücke, die wir bei den Ausgrabungen auf relativ kleiner Fläche gemacht haben, muss es ein sehr großer Transport gewesen sein", so Kuhn. Otto wollte seine Elbestadt im Glanz einer römischen Metropole aufleben lassen.

Neues Siegel | Wenige Jahre nach seiner Kaiserkrönung 962 ließ Otto I. ein neues Siegel für sich schneiden. Hatte sich der Herrscher zuvor in kriegerischer Tracht mit Schild und Lanze gezeigt, so war er nun mit gekröntem Haupt und Zepter sowie Reichsapfel in den Händen zu sehen.
Vor seiner Erhebung zum Kaiser im Jahr 955 war dem Sachsenkönig schon ein großer Erfolg gelungen: Bei Augsburg hatte er das Schrecken verbreitende Reiterheer der Ungarn besiegt und damit die jahrzehntelang anhaltenden Plünderungszügen durch Europa beendet. Das Leben der Menschen in Ottos Reich war auf einen Schlag sehr viel sicherer geworden. "Für die Ungarn bedeutete das katastrophale Gemetzel einen tiefen Bruch in ihrer Geschichte", beschreibt der Wissenschaftsjournalist Hakan Baykal. Neue Herrscher leiteten "sowohl die Christianisierung als auch die Sesshaftigkeit der Magyaren ein".

Seither erhob der Sachse auch mehr und mehr den Anspruch auf das fränkisch-römische Kaisertum – und verstand es, seinen Einfluss über die Grenzen seines Reichs hinaus, in Italien sowie bis ins ferne Byzanz und Córdoba durchzusetzen. Im Februar 962 stieg er als erster „Deutscher“ zum Kaiser auf. Die Anerkennung etwa durch den byzantinischen Kaiser erhielt Otto mit der arrangierten Hochzeit seines Sohnes und der Byzantinerin Theophano im Jahr 972. Für den byzantinischen Herrscher war der Sachse nämlich bislang der "unmittelbare Konkurrent um die Stellung des ranghöchsten Herrschers der Christenheit" gewesen, betont der Byzanzexperte Ralph-Johannes Lilie. Von Seiten Ostroms scheint die Eheschließung aber nicht denselben Stellenwert besessen zu haben wie für Otto – war die Braut doch "nur" eine Nichte und keine Tochter des Kaisers gewesen.

Ein Jahr nach der Hochzeit seines Sohnes, am 7. Mai 973 erlag Otto einer sehr plötzlichen Fiebererkrankung. Für das Frühmittelalter sicherlich ein häufiges Schicksal. Während die meisten Historiker bislang an einen natürlichen Tod Ottos glaubten, ließen die zeitgenössischen Berichte zum Tod des Sachsen den Historiker Gereon Becht-Jördens stutzig werden. In epoc dröselt er die schriftlichen Quellen auf und kommt zu dem Schluss, dass Otto der Große womöglich Opfer eines Giftanschlags geworden war.

Die Welt am Ende des 10. Jahrhunderts | Mit seiner beharrlichen Politik hatte Otto I. das ostfränkisch-deutsche Reich nicht nur gefestigt, sondern auch zur Vormacht der westlichen Christenheit geführt.
ISBN 978-3-943702-10-1, 90 Seiten, €7,90

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: epoc, 3/2012
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